Protestkundgebung
  Proteste

In den USA konnten zur Zeit des Prozesses und der Berufungen - bis auf wenige Ausnahmen - nur Einwanderer sowie anarchistische und einige linke Gruppierungen für Proteste mobilisiert werden, wobei etwa die Kommunisten kein Interesse an einer Beteiligung zeigten.
Nur außerhalb der USA kam es schon früh zu öffentlichen Protestkundgebungen. Die größten Demonstrationen fanden in Frankreich und Italien statt, an denen zehntausende Menschen teilnahmen. Die friedlichen Kundgebungen wurden von Gewaltakten überschattet: In Paris explodierte eine Bombe vor der amerikanischen Botschaft. In Lissabon konnte eine weitere Bombe vor der Explosion entdeckt und beseitigt werden.

 
     
 
Wann die Proteste in den USA in Schwung kamen.
Der Prozessbeginn.
Zeiger Warum kam es zu Protesten für Sacco und Vanzetti?
Zeiger Hintergund: Anarchismus in den USA.
 
     
   
 

Intellektuelles Unbehagen

Als bekannt wurde, dass weder das vorliegende Geständnis Madeiros' noch der Verdacht auf heimliche Absprachen mit dem Justizministerium eine juristische Neubewertung des Falles nach sich zog, wurden zusehends auch konservative Intellektuelle des ganzen Landes auf den Fall aufmerksam: In einem aufsehenerregenden Artikel im Magazin The Atlantic Monthly (Ausgabe März 1927) kritisierte der Jurist Felix Frankfurter die Entscheidungen von Richter Thayer scharf. Die Frage, ob Sacco und Vanzetti sterben sollten, wurde in amerikanischen Zeitungen und der Öffentlichkeit kontrovers debattiert.

 
     
 
Zeiger Der abgelehnte „Madeiros-Antrag“.
Zieger Der Prozessbeginn.
Zeiger Proteste nach dem Todesurteil.
 
     
   
 

Breite Mobilisierung

Nachdem das Todesurteil verkündet worden war, stieß die nun besonders auf Amerikaner zugeschnittene Kampagne des Defense Committee bei allen Bevölkerungsschichten und Glaubensgruppen auf große Resonanz: Katholiken, Quäker, Presbyterianer, Atheisten, Wissenschaftler, Schriftsteller und viele andere begannen sich für die Verurteilten einzusetzen. Diese breite Mobilisierung ist vor allem dem Journalisten Gardner Jackson zuzuschreiben, der sich mit großem persönlichem Einsatz für das Defense Committee engagierte. Auch die Kommunistische Partei – zuvor uninteressiert - begann nun, den Fall für sich zu instrumentalisieren: So soll von den gesammelten Geldern nur ein Bruchteil an das Defense Committee übergeben worden sein.

 
     
 
Zeiger Ruf nach Revision.
Zieger Die Proteste unmittelbar vor der Hinrichtung.
Zeiger Richter Thayer verkündet die Todesstrafe.
 
     
   
 

Ruf nach Revision

Das Defense Committee konzentrierte seine Bemühungen nun ganz auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Obwohl diese Forderung auch von über sechzig Professoren und Rechtswissenschaftlern des ganzen Landes an den Gouverneur von Massachusetts, Alvan T. Fuller, herangetragen wurde, gab es in der Oberschicht und dem Mittelstand eine breite Front gegen derartige Bestrebungen.
Eine von Jackson initiierte Petition fand weltweit zwischen 750.000 und einer Million Unterstützer. Aneinandergeklebt und um einen Stock gewickelt, wurde die schwere Rolle mit den unterschriebenen Petitionen unter Aufmerksamkeit der Zeitungen im Büro des Gouverneurs abgegeben.

 
     
 
Zeiger Gründe gegen eine Neubewertung des Falles.
Zieger Vanzettis letzter verzweifelter Versuch.
 
     
   
 

Gegen Gerechtigkeit

Die Gegner äußerten die Befürchtung, das Ansehen der Institutionen von Massachusetts könnte durch eine Revisionskommission geschädigt werden: Es würde schändlicherweise so wirken, als ob die „Gerichte von Massachusetts unfähig seien, in Kriminalprozessen fair und ehrlich zu sprechen“. Vanzetti schrieb dazu in einem Brief: „Sie müssen uns umbringen, um die Würde und Ehre des Commonwealth zu retten.“

Ein weiterer Grund waren Ressentiments gegen Ausländer und Andersdenkende, wie sie laut Verteidigung den ganzen Prozess prägten. Vielen reichte die unbestrittene Tatsache, dass Sacco und Vanzetti Einwanderer, Wehrdienstflüchtige und Anarchisten waren, um ihnen per se Bürgerrechte abzusprechen. Zitat aus einem Leserbrief an die New Republic: „Ich sage, Richter Thayer hat recht getan, als er sie, mit oder ohne Beweise, des Mordes schuldig befand, damit man sie loswerden kann [...] Amerika ist für die Amerikaner da und nicht für verdammte Ausländer.“

Ein drittes Argument gegen eine Revision fand sich in den Protesten selbst: Man dürfe der Agitation radikaler Kräfte im In- und Ausland keinesfalls nachgeben, möchte man amerikanische Werte nicht verraten.
Gouverneur Fuller wurde später mit der Aussage zitiert: „Die breite Unterstützung, die Sacco und Vanzetti im Ausland genossen, bewies, dass es eine Verschwörung gegen die Sicherheit der USA gab.“

 
     
 
Zeiger Vanzettis letzter verzweifelter Versuch.