Das Geständnis Im November 1925 kam es im Fall Sacco und Vanzetti zu einer der aufsehenerregendsten Wendungen. Celestino F. Madeiros, der wegen Tötung eines Bankangestellten im selben Gefängnis wie Sacco untergebracht wurde, ließ Sacco am 18. November 1925 eine Notiz zukommen: „Ich gestehe hiermit, dass ich bei dem Verbrechen in der Schuhfabrik in South Braintree dabei war und dass Sacco und Vanzetti nicht dabei waren. Gegenüber dem Anwalt Thompson und später auch einem Vertreter der Staatsanwaltschaft schilderte Madeiros den Überfall, bei dem er nach eigenen Angaben als Aufpasser im Fluchtwagen beteiligt war. |
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Morelli-Bande unter Verdacht Ehrmann stieß auf neue Zeugenaussagen und Indizien, die Madeiros' Version zu bestätigen schienen. In weiterer Folge verdächtigte er die bekannte Morelli-Bande, hinter dem Raubüberfall in South Braintree zu stecken. So machte er unter anderem Waffen im Besitz von Banden-Mitgliedern ausfindig, die mit jenen Waffen übereinzustimmen schienen, wie sie laut Prozess-Aussagen von Ballistikexperten bei dem Raubüberfall verwendet wurden. Auch deckten sich nach Ehrmanns Beobachtung die meisten aktenkundigen Personenbeschreibungen mit den Morelli-Brüdern beziehungsweise deren Komplizen. Am Ende seiner Recherchen meinte Ehrmann, Täter, Motiv, die Tatwaffen, den Ablauf sowie die Planung des Überfalls in South Braintree nennen beziehungsweise rekonstruieren zu können. |
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Keine Anklage Die Staatsanwaltschaft, vertreten durch Dudley Ranney, lehnte es aufgrund bestehender Lücken und Ungenauigkeiten des Geständnisses jedoch ab, gegen die Mitglieder der Morelli-Bande in dieser Sache Anzeige zu erstatten oder eigene Untersuchungen durchzuführen: „Wir glauben, die Wahrheit gefunden zu haben, und ... da wir die Wahrheit gefunden haben, kann nichts anderes mehr eine Rolle spielen.“ |
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Madeiros-Antrag Bei Gericht wurde seitens der Verteidigung am 26. Mai 1926 der mittlerweile sechste Zusatzantrag („Madeiros-Antrag“) für eine Wiederaufnahme des Verfahrens eingebracht, der sich zum einen auf das Geständnis des Portugiesen Maderios stützte, zum anderen auf Indizien, wonach die Staatsanwaltschaft mit dem Justizministerium zusammengearbeitet hätte, um entlastenden Beweise zu unterdrücken. |
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Richter lehnt Madeiros-Antrag ab Richter Webster Thayer wies den Antrag am 23. Oktober 1926 ab. Er hob in seiner Begründung die Stellen des Geständnisses hervor, die dem vom Gericht rekonstruierten Tathergang widersprachen. Ehrmanns Recherche-Ergebnisse ignorierte er oder erachtete sie als nichtig. Gegen die Ablehnung des Antrags und seine Begründung rief Thompson abermals den Obersten Gerichtshof in Massachusetts an. Dieser entschied am 5. April 1927 wieder zugunsten Thayers Ermessensrecht. Zudem verwies er auf ein Urteil aus einem zivilrechtlichen Prozess: „Eine Wiederaufnahme ist nicht zwingend vorgeschrieben, auch wenn neue Beweise entdeckt wurden, welche die Geschworenen zu einem anderen Wahrspruch veranlassen würden.“ |
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Geheime Absprachen? Thompson stützte sich bei Behauptung, die Staatsanwaltschaft hätte mit dem Justizministerium zusammengearbeitet, um entlastende Beweise zu unterdrücken, auf zwei eidesstattliche Erklärungen ehemaliger Beamter, die beide übereinstimmend folgendes berichten: „Die Bostoner Amtsstelle des Justizministeriums benötigte dringend ausreichendes Beweismaterial gegen Sacco und Vanzetti, um sie deportieren zu können, doch gelang es ihr nie, die [...] erforderliche Art und Menge von Beweismaterial zu bekommen. Nach Auffassung der hiesigen Beamten des Ministeriums war eine Verurteilung von Sacco und Vanzetti eine Möglichkeit, diese beiden Männer loszuwerden.“ Der Schriftverkehr des Ministeriums mit Katzmann sollte demnach ausführlich in den Akten dokumentiert sein. Thompson wollte in die Akten Einsicht nehmen, was ihm die Staatsanwaltschaft jedoch verwehrte. Im Antrag vor Gericht wies Thompson explizit auf dieses Verhalten der Staatsanwaltschaft hin und forderte das Gericht auf, die Herausgabe der Akten anzuordnen: „Es gibt etwas, das wichtiger ist, als Sacco und Vanzetti für diesen Mord zu bestrafen, wenn sie ihn begangen hätten, was nach unserer Auffassung nicht der Fall ist, und das ist, dass die Verurteilung schuldiger Menschen stets im Einklang mit den Regeln des Rechts und der Gerechtigkeit und einer fairen Vorgangsweise erfolgen soll, offen und fair und ohne Heimlichkeit oder Hintergedanken...“ |
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