Im Gefängnis
Die von Zweifel und Ängsten geprägte Wartezeit auf die Entscheidungen über die Anträge und schließlich die Hinrichtung verbrachten Sacco und Vanzetti größtenteils in getrennten Gefängnissen: Vanzetti saß seine Strafe nach dem Bridgewater-Prozess in Charlestown ab, während Sacco im Gefängnis Dedham untergebracht wurde. So verschieden beide Männer waren, so unterschiedlich gingen sie auch mit den Schuldsprüchen und der drohenden Hinrichtung um. |
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Sacco erkrankt Sacco machte die Situation offenbar weit mehr zu schaffen als Vanzetti, der von sich selbst und anderen als Denker und Träumer beschrieben wurde. Getrennt von seiner Frau und den Kindern, litt Sacco einige Monate nach der Verurteilung an Wahnvorstellungen. Im Februar 1923 trat er in einen mehrwöchigen Hungerstreik. Vanzetti schreibt in einem Brief an seine Schwester Luigia, mit der er während der Gefangenschaft regen brieflichen Kontakt pflegte: „Er ist entschlossen, freizukommen oder zu sterben. Er war neunundzwanzig Tage ohne Nahrung...“ Selbst wollte er allerdings nicht am Hungerstreik teilnehmen. Nach einer Untersuchung wurde Sacco ins psychiatrische Krankenhaus in Boston eingeliefert, wo er zwangsernährt werden sollte. Daraufhin begann er, von selbst wieder zu essen. Nach einer kurzen Besserungsphase hatte er am 22. März einen Anfall: Vier Männer mussten ihn davon abhalten, weiter mit dem Kopf gegen die Armlehnen eines schweren Stuhls zu schlagen. Er äußerte in der Folge immer wieder Selbstmordabsichten. Ruhige Phasen wechselten sich mit plötzlichen Anfällen. Der Krankenhausdirektor stellte am 10. April fest, Sacco benötige stationäre Pflege und Behandlung. Knapp zwei Wochen später, an Saccos 32. Geburtstag, erfolgte die Einlieferung ins Krankenhaus für geisteskranke Rechtsbrecher in Bridgewater. Dank besserer sozialer Kontakte - er war nicht mehr isoliert in einem Raum untergebracht - und der Möglichkeit, auf der Gefängnisfarm zu arbeiten, verbesserte sich sein Zustand deutlich. Am 29. September 1923 wurde er wieder ins Gefängnis in Dedham überstellt. |
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Vanzetti zeigt Stärke Vanzetti schien es leichter zu fallen, sich mit Verurteilung und Gefangenschaft abzufinden: „Es heißt, dass die Menschen von einem erst dann Gutes sagen, wenn man tot ist, aber sie sagen auch Gutes von einem, wenn man im Gefängnis sitzt.“ Er las viel, arbeitete an Übersetzungen und führte eine intensive Korrespondenz, vor allem mit seiner Schwester Luigia in Italien. „Mein Leib und meine Seele bleiben stark... Meine schriftstellerischen Arbeiten, so armselig sie sein mögen, stoßen auf Sympathie und Zustimmung. In den dreizehn Jahren, die ich in diesem Land bin, habe ich nie erkannt, dass ich überhaupt ein Talent habe, bis dann das gegenwärtige Unglück eingetreten ist.“ Der Arbeiter und Idealist Vanzetti nahm nicht unbefriedigt zur Kenntnis, durch die Verurteilung - so sehr er auch darunter litt - eine Bedeutung zu erlangen, die einem Menschen seines Standes sonst nie zuteil geworden wäre: „Ich habe viele Doktoren, Anwälte und Millionäre kennengelernt, an die ich nie herangekommen wäre. Und wie sie mich lieben! Sie staunen über das, was ich schreibe, sie besuchen mich und bringen Geschenke, und sie schreiben mir fortwährend. Wenn ich freigelassen würde, dann würden sie die Türen ihrer Häuser öffnen und mich einlassen und mir auf jede nur erdenkliche Weise helfen.“ Nachdem Thayer wiederholt eine Wiederaufnahme des Verfahrens abgelehnt hatte, diagnostizierten die Psychiater bei Vanzetti Halluzinationen und Wahnvorstellungen, ähnlich wie zuvor bei Sacco. Von Januar bis Mai 1925 wurde er im Krankenhaus für geisteskranke Rechtsbrecher untergebracht. Vage Andeutungen in seinen Briefen an Luigia lassen allerdings darauf schließen, dass Vanzetti seine Geisteskrankheit nur vortäuschte. Unklar bleibt aber, was er damit erreichen wollte: Bei objektiver Betrachtung ließ sich damit die herannahende Exekution nicht aufhalten. |
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